Malerisch und ruhig schlängelt sich der Fluß zwischen den beiden Bergen hindurch weiter Richtung Norden, zum Meer hin. Ich nutze die früh einsetzende Dunkelheit des Herbstes um die östliche der beiden Erhebungen ungestört zu erklimmen. Trotz der einsetzenden Abendkühle bin ich, gepäckbeladen, froh, endlich auf Zielhöhe angekommen zu sein und habe dennoch keine Zeit, die romantische Aussicht auf die Lichter der Stadt und den gegenüberliegenden Berg mit dem beleuchteten Denkmal zu geniessen. Der Einstieg in das Berginnere ist ein Abenteuer für sich und nichts für jedermann. Doch wenn man diese Strapaze erst einmal hinter sich gebracht hat, wenn man endlich mit komplettem Gepäck durch diese Passage hindurch ist, empfängt einen eine Welt, von der draussen nichts bekannt ist.
In der Endphase des Zweiten Weltkrieges, mit großer Wahrscheinlichkeit im März 1944, wurde die Röhrenproduktion der Firma Philips aus den Niederlanden in den Jakobsberg verbracht. Hierzu wurden aufgegebene Bergwerksstollen des vormaligen Eisenerzabbaus erweitert. Solche Stollen durchziehen beträchtliche Teile des Wiehen- und Wesergebirges, die Eingänge sind heute vermauert und unkenntlich gemacht. In Hausberge und Barkhausen befanden sich Außenlager des KZ Neuengamme mit über tausend Häftlingen, von denen ein beträchtlicher Teil im Jakobsberg arbeitete. Unter deutlich besseren Bedingungen waren aber auch Frauen aus der Umgebung im Berg tätig. Nach Kriegsende nutzte die örtliche Bevölkerung ihre überlegene Kenntnis des das Gebirge durchziehenden Stollensystems, um Material der Produktionsanlagen aus dem Berg zu schaffen und auf dem Schwarzmarkt zu tauschen. Die britische Besatzungsmacht setzte dem Treiben durch eine Sprengung ein Ende, die auch in 15 Kilometern Entfernung noch Bilder von den Wänden fallen ließ und einen Teil der heutigen flussseitigen Front des Jakobsbergs formte.
Obgleich umfangreiche Fakten über die Zeit des Zweiten Weltkrieges bekannt sind, stellen die U-Verlagerungen jedoch einen Bereich dar, der bis heute vielen Menschen unbekannt ist. Oftmals hören die Menschen den Begriff U-Verlagerungen zum ersten Mal und fragen sich, was es damit auf sich hat. Das eigentlich besondere an der Region Porta Westfalica ist, dass hier Baumaßnahmen in größerem Umfang durchgeführt wurden als anderswo in Deutschland. Nur wenige Anlagen übertreffen das Ausmaß der Bauvorhaben an der Porta. Doch was verbirgt sich hinter den so genannten U-Verlagerungen eigentlich? Es handelt sich um industrielle und militärische Einrichtungen, welche zum Schutz gegen feindliche Angriffe in unterirdische Standorte verlagert wurden bzw. werden sollten. Auch wenn dies auf den ersten Blick nichts besonderes zu sein scheint, so ranken sich um diese Anlagen die unterschiedlichsten Geschichten und Vermutungen. Man fragt sich, warum lange Zeit ein derartiges Geheimnis um die Anwesenheit dieser Anlagen gemacht wurde.
Mit dem Ende des Krieges kam auch das Ende der Anlagen. In den folgenden Jahren wurden diese zunächst demontiert, wobei die Maschinen unter anderem als Reparationszahlungen angerechnet wurden. Nach der Demontage sollte dann dafür gesorgt werden, daß die Anlagen nicht erneut aufgebaut werden konnten. Dazu wurden sie entweder versiegelt, durch Sprengungen zerstört, oder wieder in den aktiven Bergbau übernommen.
Auf welche Art die Anlagen unbrauchbar gemacht wurden, hing stark von den Gegebenheiten ab. Wurden beispielsweise bei der Sprengung des Denkmalstollens noch folgenreiche Fehler begangen, wurden derartige Risiken bei anderen Anlagen vermieden. Für die Anlagen im Jakobsberg wurde beispielsweise ein geologisches Gutachten erstellt, um kalkulieren zu können, welche Methoden welche Folgen haben könnten. Als Folge dieses Gutachtens wurden einige Anlagen nicht gesprengt, sondern stattdessen nur versiegelt.
Zu meinen Fotos der Anlagen Dachs 1 und Stör 1